Treffen der 78er-Helden

Vor 45 Jahren stand die Kleine Residenz Kopf. Die NPG-Halle wurde zum Tollhaus. Der Nachwuchs des TV Kirchheimbolanden feierte am 4. Juni 1978 die deutsche Meisterschaft. Viele Helden von damals trafen sich jetzt wieder und ließen die guten alten Zeiten hochleben.

„Die letzten Sekunden aus dem Endspiel, als wir knapp gegen den großen Favoriten SC Rist Wedel vorne lagen – das habe ich noch genau vor Augen“, erzählt der in Hohenstein bei Wiesbaden heimisch gewordene Stefan Geitz sein größtes Basketball-Erlebnis immer noch mit einem Leuchten in den Augen. „Die letzte Minute und ganz am Ende jede einzelne Sekunde: Soll das wirklich reichen? Schaffen wir die Sensation und gewinnen die deutsche Meisterschaft? Ein bis drei Punkte lagen wir in der entscheidenden Spielphase vorne und irgendwie schaute ich nur auf die Anzeigetafel und sehnte den Schlusspfiff herbei.“Der Kapitän wurde wie viele aus dem Team vor kurzem 60 Jahre. Auch wenn einer der größten Meilensteine der TVK-Geschichte ein „halbes Leben“ zurückliegt – dieser Moment, dieser einzigartige Erfolg der damals 14- und 15-jährigen „Buben“ wird immer vor Augen bleiben.Stefan Geitz organisierte mittlerweile das vierte Treffen der Meistermannschaft, die längst in allen Teilen Deutschlands und weit darüber hinaus verstreut sind. Auch wenn Stefan Demmerle (Amerika), Wolfgang Demmerle (München), Achim Sattler (Berlin) und Stefan Mohr (Kaufbeuren) verhindert waren – acht der „zwölf Helden“ waren in ihre Heimat zurückgekommen, um einen Tag lang Geschichten auszutauschen von den glorreichen TVK-Zeiten und viel Spaß miteinander zu haben – wie damals 1978. Unter ihnen waren Uwe Eid aus Oberotterbach in der Nähe von Bad Bergzabern oder Wolfgang Herbst aus Kalkofen bei Alsenz. Der Zwei-Meter-Mann war damals schon einer der Größten im Team. Der „Lange“ erinnert grinsend daran, dass er ein halbes Jahr vor dem Mega-Erfolg noch Handball spielte. Geitz lotste das „Naturtalent“ über die Schulmannschaft auch in den Verein.Einige nahmen weite Anreisen für das „Revival“ in Kauf – wie Robert Küther, der seit 1995 in Brünn lebt und am Wochenende aus Tschechien eigens nach Kirchheimbolanden gekommen war. „Auch wenn es jedes Mal eine weite Strecke ist, ich komme immer gerne, habe noch viele Kontakte und bin deshalb mehrmals im Jahr in Kibo“, meint Küther. „Das, was wir damals geschafft haben, war sensationell. Ich erinnere mich auch genau an das Drumherum. An den ganzen Hype um die deutsche Meisterschaft gegen die großen deutschen Basketballclubs in dem kleinen Kirchheimbolanden. Wir krabbelten einen Tag vor dem Finalturnier noch auf das Dach der NPG-Halle und halfen, große Planen als Sonnenschutz auf der Südseite der Halle anzubringen.“ Der „Drahtzieher“ der Verhüllungsaktion, Edwin Schmidt – Vater von Volker, dem Energiebündel der Meistermannschaft – schaute letzten Samstag kurz bei „seinen Jungs“ in der Turmschänke vorbei. Und erinnerte in allen Details an das riesige Sonnensegel, das er mit vielen Helfern extra für das „Jahrhundertereignis“ anbrachte. Der pfiffige Sonnenschutzeffekt half wirklich, wie Volkers Mutter empfand: „Die kleine NPG-Halle wäre doch sonst bei den heißen Temperaturen ein einziger Schwitzkasten gewesen.“ Volker Schmidt kam aus Veddelschoß, ganz in der Nähe von Linz am Rhein. Seit 1983 lebt der einzige Linkshänder im damaligen Team im Rheinland. „Vielleicht war der Druck zu groß nach dem spektakulären Kantersieg gegen den großen Favoriten Bayer 04 Leverkusen. Wir verloren im zweiten Match gegen den MTV Gießen, den wir Wochen davor schon geschlagen hatten“, sinniert er. „Doch den Glauben haben wir nie verloren. Wir bekamen ja noch unser echtes Endspiel im letzten Match.“ Auch Georgios „Schoppe“ Salustros kommt aus dem Schwärmen nicht heraus, wenn er an das Wochenende 1978 denkt: „Die Halle war gerappelt voll. Über 400 Zuschauer. So was hatte ich noch nicht erlebt. Das puschte uns unglaublich. Wir waren eine außergewöhnlich gute Truppe. Das zeigten wir ja auch auf dem langen Weg bis zur deutschen Meisterschaft“, sagt der Spielmacher und Stratege der damals besten deutschen C-Jugendmannschaft, der schon lange in Wehrheim nördlich von Frankfurt lebt. „Doch der Heimvorteil, diese ganz besondere Atmosphäre, holte nochmals das letzte aus uns heraus.“ Andreas Schäfer (Weierhof), am nächsten von allen noch an der damaligen „Kultstätte“ lebend, untermauert den besonderen Effekt: „Da kamen Leute in die Halle, die kannten vorher Basketball gar nicht. Unglaublich, was in Kibo los war und welche Welle wir auslösten.“ Er meinte nicht nur die vielen überregionalen Schlagzeilen, vor allem die große Anzahl an neuen Kindern, die plötzlich „Bock auf Basketball“ hatten und später ebenfalls Erfolge bis in die Regionalliga feierten. Wie Wolfgang Ebel, für zwei Wochen aus den USA wieder in seiner Heimat, sowie die beiden heutigen „TVK-Macher“ Slavko Strock und Carsten Bauer, die in fröhlicher Runde „ihren Vorbildern“ die Ehre beim „Meistertreffen“ erwiesen.Rainer Brehm aus Ebertsheim in der Nähe von Grünstadt kam mit der besonderen Rolle, dass sein Vater Karl-Heinz „Beppo“ auch der „Vater des großen Triumphes“ war, gut klar. Wie er bestätigte auch Robert Küther, früher oft privat bei Brehms: „Da gab es die klare Trennung. So fokussiert, ehrgeizig und erfolgsorientiert jedes Training ablief und Beppo und mit klarem Plan uns zum Erfolg führte, so wenig war Basketball dann Zuhause ein Thema.“ Schoppe Salustros erinnert sich noch genau an die Kabinenansprache mit dem „historischen Satz“ des „großen Meistermachers“ vor dem alles entscheidenden Match gegen den Hamburger Club SC Rist Wedel: „Jungs, wir sind so weit gekommen. Jetzt lassen wir uns von den Heringsfressern nicht mehr die Butter vom Brot nehmen!“ Lange wurde im Restaurant Orangerie und später in der Turmschänke, die als Stammkneipe von „Kibos“ Korbjägern früher Kultstatus in jeder „dritten Halbzeit“ erlangte, über den großen Teamgeist als „das besondere Erfolgsrezept“ philosophiert. Und über die gegnerischen Stars geredet, die im kleinen Kirchheimbolanden zu Fall kamen. Wie der große Detlef Schrempf aus Leverkusen, der später als erster deutscher Profi in Amerika und der NBA Karriere machte. Oder das damals größte deutsche Basketballtalent Ingo Knillmann aus Hamburg. „Ingo erzählte mir später einmal, dass er eigentlich immer alles gewonnen hatte mit seinen Jugendteams. Nur das eine Mal eben nicht in Kibo“, schmunzelt Geitz. Dieser besondere Samstag hätte 48 Stunden haben können und die Gesprächsthemen wären nicht ausgegangen. Grund genug, das Treffen regelmäßiger zu wiederholen – so die einhellige Meinung von „Kibos“ legendärer Basketballmannschaft.